Druckansicht - Donnerstag 16. Dezember 2010
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Ansprache von Bundespräsident Heinz Fischer in der Hofburg

 

 

Eure Heiligkeit!

 

Mit großer Freude heiße ich Sie in der traditionsreichen Wiener Hofburg willkommen - einem Gebäudekomplex, von dem aus durch Jahrhunderte hindurch die europäische Geschichte mitgestaltet wurde.

 

Ich heiße Sie willkommen zu einer Begegnung mit führenden Repräsentanten der Republik Österreich, mit führenden Vertretern der in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie mit den Mitgliedern des Diplomatischen Corps, die ich gleichfalls alle sehr herzlich begrüße.

 

Ich kann Eurer Heiligkeit versichern, dass Sie in Österreich mit offenen Herzen und mit großem Interesse an Ihren Auffassungen und Gedanken aufgenommen werden. Dass die Beziehungen zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl ausgezeichnet und vertrauensvoll sind, konnte ich bereits unmittelbar nach Ihrer Ankunft am Flughafen feststellen. Ihr Besuch in Österreich bekräftigt dies.

 

Uns verbindet auch ein hohes Maß an Übereinstimmung in Bezug auf viele der großen Herausforderungen unserer Zeit. Das gilt in besonderer Weise für das Bemühen um eine friedliche Welt, die für uns alle von existenzieller Bedeutung ist.

 

Eure Heiligkeit!

 

Man kann nicht leugnen, dass die Geschichte der menschlichen Zivilisation über weite Strecken als eine Geschichte von Kriegen und gewaltsamen Auseinandersetzungen beschrieben werden muss. Dennoch - oder gerade deshalb - ist und bleibt Krieg als Instrument der Politik inakzeptabel. (Ich spreche nicht von Landesverteidigung.)

 

Der Geisel des Krieges steht der Menschheitstraum einer friedlichen Welt gegenüber. Und wir haben im 21. Jahrhundert in wachsendem Maß die Chance, durch gemeinsame Anstrengungen das Phänomen des Krieges zurückzudrängen, Zonen des Friedens auszudehnen und den nationalen Rechtsstaat zum internationalen Rechtsstaat zu erweitern.

 

In diesem Zusammenhang darf ich besondere Wertschätzung für die vielfältigen, teils öffentlichen, teils diskreten Bemühungen des Heiligen Stuhls zur Vermeidung des Ausbruches von Kriegen oder zur Eindämmung bereits ausgebrochener Konflikte zum Ausdruck bringen - ein Thema, das ich bereits bei unserer Begegnung in Rom im Oktober des vergangenen Jahres mit Eurer Heiligkeit erörtern durfte.

 

In direktem Zusammenhang mit der Sehnsucht nach Frieden steht die Bereitschaft zum Dialog. Österreich ist ein Ort des Dialoges und das Bekenntnis zum Dialog ist ein wichtiger Baustein unserer Politik. Es ist mehr als gerechtfertigt, an dieser Stelle Kardinal Dr. Franz König zu erwähnen und seine großen Verdienste für den Dialog zwischen den Menschen, für den Dialog zwischen den Religionen und für Dialogbereitschaft als Lebensmuster in Erinnerung zu rufen. Es gibt schöne Beispiele dafür, dass Kardinal Dr. Christoph Schönborn bemüht ist, diesen Weg fortzusetzen.

 

Hochverehrte Anwesende!

 

Wir wollen nicht Zonen des Bösen und Zonen des Guten auf der Weltkarte zeichnen und wir wollen nicht versuchen, in Schwarz und Weiß einzuteilen. Ich stimme Alexander Solschenizyn zu, wenn er schreibt, dass die Grenzen zwischen Gut und Böse nicht zwischen den Völkern verlaufen, auch nicht zwischen Religionen und Weltanschauungen, sondern im Herzen jedes einzelnen Menschen. Daher müssen wir uns bemühen, das Gute zu erkennen und zu unterstützen und den Wurzeln für das Böse, für Gewalt und Intoleranz den Nährboden zu entziehen. Klarheit in unseren Wertvorstellungen ist dabei unverzichtbar.

 

Eure Heiligkeit!

 

Mit den Lehren aus den beiden verhängnisvollen Weltkriegen des 20. Jahrhunderts und mit dem Bemühen um Frieden ist auch die aktuelle Entwicklung Europas aufs Engste verknüpft. Die Europäische Union ist ein Friedensprojekt, das von klugen Köpfen aus edlen Motiven und mit vernünftigen Zielen in Angriff genommen wurde und seit dem Zusammenbruch des Kommunismus in Europa zu einem gesamteuropäischen Projekt herangereift ist.

 

Zum festen Fundament dieses Projektes zählt das Bekenntnis zu dem aus vielen Wurzeln gewachsenen, vom Christentum stark geprägten und von der Aufklärung mitgeformten europäischen Menschenbild, dessen normativer Ausdruck unveräußerliche Menschenrechte sind. Jeder muss wissen, dass Rassismus oder Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit, aber auch soziale Ausgrenzung mit unserem Menschenbild und dem darauf beruhenden Gesellschaftsmodell unvereinbar sind.

 

Ich verkenne nicht die Schwächen und Unzulänglichkeiten im europäischen Alltag. Aber die oftmals berechtigte Kritik an diesen Unzulänglichkeiten darf den Blick auf die enormen historischen Fortschritte, die im europäischen Einigungswerk zum Ausdruck kommen, nicht verstellen. Europa hat viel erreicht - viel mehr, als frühere Generationen zu träumen gewagt haben. Europa ist ein Zukunftsmodell!

 

Diese privilegierte Stellung Europas legt auch Verantwortung für unsere Mitmenschen in anderen Regionen unseres Erdballs auf unsere Schultern. In dieser Erkenntnis gibt es Gleichklang und Parallelen zwischen politischer Verantwortung und kirchlich-humanitären Zielsetzungen.

 

Ich bekenne mich zur Trennung von Staat und Kirche in jenem Sinn, wie dies in unserer Verfassung normiert ist. Aber ich bekenne mich gleichzeitig zur Zusammenarbeit von Staat und Kirche überall dort, wo wir gemeinsame Ziele haben, wo wir gemeinsam dem Frieden dienen können, wo wir gemeinsam den Schwachen helfen können.

 

Eure Heiligkeit!

 

Sie haben in der Republik Österreich einen aktiven Partner für die vorstehend genannten Aufgaben. Sie werden bei den Österreicherinnen und Österreichern große Bereitschaft finden, sich für eine offene und soziale Gesellschaft auf der Basis der Gleichberechtigung der Geschlechter zu engagieren. Sie werden junge Frauen und Männer treffen, die sich mit Idealismus den Herausforderungen der Zukunft stellen.

 

Sie sind Gast und Pilger in einem Land, in dem der Gedanke, dass Natur und Umwelt gepflegt und geschützt werden müssen, um sie kommenden Generationen zu erhalten, immer mehr Kraft entfaltet. Ihr Besuch soll und wird dazu beitragen, diese Kräfte und Ziele zu stärken.

Ich wünsche uns allen - und hoffe es aufrichtig -, dass unsere Bemühungen Früchte tragen und dass wir gemeinsam einer guten Zukunft entgegengehen.

 

Ich darf nunmehr Eure Heiligkeit einladen, zu uns zu sprechen.

 

 

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durch die Bischöfe Mitteleuropas anlässlich der "Wallfahrt der Völker" am 22.5.2004

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