"Auf Christus schauen" ist ein "Dauerauftrag"
Graz-Vatikanstadt, 8.9.08 (KAP) Vom Österreich-Besuch Papst Benedikts XVI. vor einem Jahr bleibt - "alles andere umgreifend und tragend" - das Leitwort "Auf Christus schauen" als "Dauerauftrag". Dies betont der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari in einem Beitrag für die neueste Nummer der deutschsprachigen Wochenausgabe der offiziösen Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano". Das Leitwort sei ein "Weckruf"an die Christenheit in Europa, wo viele Christen "unter den Bedingungen einer weithin säkularisierten Gesellschaft den Blick auf die Mitte und Tiefe der christlichen Existenz zu verlieren drohen".
Bischof Kapellari zitiert Papst Benedikt XVI.: "Wer auf Christus schaut, der sieht, dass das Christentum mehr und etwas anderes ist als ein Moralsystem, als eine Serie von Forderungen und Gesetzen. Es ist das Geschenk einer Freundschaft, die im Leben und im Sterben trägt".
Zur Frage, was von dem großen Glaubensfest mit dem Papst als "weiterwirkender Impuls" im Leben der Kirche in Österreich bleibt, stellt Bischof Kapellari fest: "Gott allein kennt die ganze Fruchtbarkeit aller hier ausgesäten Samenkörner". Benedikt XVI. habe in Österreich "alle großen Themen der Kirche und der sie umgreifenden Gesellschaft" zur Sprache gebracht, "in kristalliner Klarheit, nicht dröhnend, aber unmissverstehbar deutlich". Für die Kirche in Österreich und in Europa müsse die Befassung mit all den großen Themen bleiben, die bei der Pilgerfahrt Benedikts XVI. zur Sprache kamen. Der Papst habe an die Einzigartigkeit der Geschichte und Berufung Europas erinnert, "an die starken Lebenskeime wie auch an die vielen Krankheitskeime" auf diesem Kontinent.
Die große Europa-Rede des Papstes in der Wiener Hofburg sollte als "Appell zur Nachhaltigkeit" angenommen werden, so Kapellari; Benedikt XVI. habe darin seine kritische Solidarität zum Prozess der europäischen Einigung bekundet und auf die "tragenden christlichen Wurzeln"europäischer Identität verwiesen. Auch außerhalb der Kirche sei der Appell zum Schutz des menschlichen Lebens, "das zumal durch Abtreibung und Euthanasie bedroht ist", stark beachtet worden. Einmal mehr habe Benedikt XVI. auch an die "Korrespondenz von Glaube, Wahrheit und Vernunft als unverzichtbarer Anteil am europäischen Erbe" erinnert. Im Wiener Stephansdom, in der Basilika von Mariazell und im Kloster Heiligenkreuz habe der Papst "herzbewegend" über die Quellgründe des geistlichen Lebens gesprochen.
"Die Impulse aus großen und in positiver Emotionalität erlebten religiösen Ereignissen wirken nur dann nachhaltig, wenn es vorher oder mindestens nachher eine Einübung in das spezifisch katholische Christsein gibt. An dieser Einübung mangelt es heute in Europa wie vielleicht niemals vorher in der Kirchengeschichte", bedauert Bischof Kapellari.
Familien, Medien und auch der Religionsunterricht würden zu wenig für diese Nachhaltigkeit tun, "inmitten einer Gesellschaft, die Einübung zwar für Sport und Musik als unverzichtbar betrachtet, aber Religion zu sehr oder fast nur mit Spontaneität verbindet", schreibt der steirische Bischof in seinem Resümee, das sich mit den bleibenden Botschaften des Papstbesuches befasst. Benedikt XVI. habe noch als Professor vor Jahrzehnten das Buch "Einführung in das Christentum" veröffentlicht. Dieses Buch bleibe eine "Einladung zu einer Einübung, die nichts mit Dressur zu tun hat, aber auch nicht auf Spontaneität reduziert werden kann". Eine solche Einübung bleibe ein "dringendes Desiderat" für die Kirche in Österreich und in Europa.