Theologie der Basilika Mariazell
ZUSAMMENFASSUNG
Die Basilika von Mariazell weist in ihrer Anlage eine bemerkenswerte theologische Konzeption auf. Der Pilger ist eingeladen, in seinem Weg durch das Bauwerk ein Abbild seines irdischen Pilgerweges zu erkennen und sich dafür inspirieren zu lassen: Durch das Hauptportal betritt der Pilger das Gotteshaus und wird von der barocken Schönheit des Kircheninnenraums erfasst. Seine Aufmerksamkeit wird auf die Gnadenkapelle mit der Gnadenstatue gerichtet, die den (räumlichen) Mittelpunkt der Basilika darstellt. Die schlichte Holzstatue der Gottesmutter empfängt den Gläubigen und zeigt gleichzeitig auf das Ziel der Pilgerschaft: Jesus Christus. Die Gnadenkapelle in der Mitte der Kirche ist jedoch nur eine weitere Station auf dem Pilgerweg, der die Gläubigen zur „Muttergottes auf der Frauensäule" führt. Sie blickt auf den Hochaltar und verweist damit auf das geistliche Ziel des Weges durch die Mariazeller Basilika: die Heiligste Dreifaltigkeit, in der künstlerisch auch die Erlösung des Menschen durch Tod und Auferstehung Jesu Christi dargestellt ist. Gott Vater reicht seinem Sohn die Hand und zeigt gleichzeitig den Gläubigen das Ziel der Pilgerschaft: Jesus Christus, den gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes. Wie viele Kirchen ist die Wallfahrtskirche in Mariazell gegen Osten gerichtet. Osten ist als Ort der aufgehenden Sonne Symbol für Jesus Christus, dessen Wiederkunft in der Tradition aus dieser Richtung erwartet wird. Über das Bauwerk hinaus ist so der Pilger während seines Weges durch die Basilika auf Jesus Christus hin orientiert, was ihm zur Anleitung und zum Vorbild für seinen irdischen Pilgerweg dienen soll.
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Die Basilika von Mariazell weist in ihrer Anlage eine bemerkenswerte theologische Konzeption auf. Der Pilger ist eingeladen, in seinem Weg durch das Bauwerk ein Abbild seines irdischen Pilgerweges zu erkennen und sich dafür inspirieren zu lassen.
Der Pilger betritt durch das Hauptportal das Gotteshaus von Mariazell. Das Hauptportal zeigt im Bogenfeld eine Kreuzigungsszene sowie Darstellungen rund um die Gründung und die ersten Gebetserhörungen der Heiligen Stätte. Seitlich des Hauptportals laden zwei lebensgroße Bleifiguren - Markgraf Heinrich von Mähren und König Ludwig I. von Ungarn, beide bedeutsam für Mariazell - zum Betreten ein. Tritt der Pilger in den Kirchenraum ein, so wird er von der barocken Schönheit des Kircheninnenraums erfasst.
Seine Aufmerksamkeit wird augenblicklich auf die Gnadenkapelle mit der Gnadenstatue gerichtet, die den (räumlichen) Mittelpunkt der Basilika darstellt. Die Gnadenstatue, eine schlichte Holzstatue der Gottesmutter Maria, empfängt den Gläubigen und verweist gleichzeitig auf das Ziel der Pilgerschaft: auf Christus. Die Mariazeller Muttergottes ist 48 cm hoch und aus Lindenholz geschnitzt. Die frühgotische thronende Marienfigur hält an ihrer rechten Seite das auf ihrem Schoß sitzende Jesuskind. Das Kind hält einen Apfel, mit der linken Hand greift es nach einer Frucht, die ihm Maria reicht. Die beiden Früchte sind Symbole für die Erlösung vom Sündenfall. Mit einer Hand zeigt die Gottesmutter auf ihren Sohn und verweist damit auf das Geheimnis ihres und jedes menschlichen Lebens: Auf Christus schauen! Seit dem 16. Jahrhundert war es üblich, Gnadenbilder mit kostbaren gestickten Gewändern zu schmücken. Nur an zwei Tagen ist die Gnadenstatue ohne sogenanntes „Liebfrauenkleid" zu sehen: am Gründungstag von Mariazell, dem 21. Dezember, und am Tag des Patroziniums der Basilika, zu Maria Geburt, am 8. September.
Die Gnadenkapelle befindet sich bis heute an der ursprünglichen Stelle der Gründung und wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgestaltet. Der heutige trapezförmige Grundriss stammt von 1690. Auf den Dreiviertelsäulen an der Außenseite stehen unter gotischen Baldachinen die Statuen des Heiligen Benedikt und des Heiligen Lambert, der beiden Patrone des Stiftes St. Lambrecht. Bewegte Statuen des Heiligen Josef sowie der Eltern Mariens - Joachim und Anna - bekrönen die Gnadenkapelle. Die Figuren sind Werke von Lorenzo Mattielli aus dem Jahr 1734.
Im Angesicht der Mariazeller Muttergottes wird der Wallfahrer des sich fortsetzenden Kirchenraumes hinter der Gnadenkapelle gewahr. Er führt seinen Weg weiter und begegnet nochmals Maria, der ständigen Wegbegleiterin des irdischen Menschen, in der "Muttergottes auf der Frauensäule". Die Muttergottes auf der Frauensäule wird ebenfalls als Gnadenbild verehrt. Die bemerkenswerte Statue mit einer Höhe von fast zwei Metern entstand um 1520 und steht auf einer fünf Meter hohen Marmorsäule. Die Madonna ist als gekrönte Himmelskönigin dargestellt und trägt auf dem rechten Arm das segnende Jesuskind. In der Linken hält sie ein Zepter. Früher war diese Marienstatue, die auch den Namen „Pilgermadonna" trägt, das Zentrum vielfältiger Bußrituale, heute werden bei ihr Andachtsgegenstände gesegnet.
Die „Muttergottes auf der Frauensäule" blickt auf den Hochaltar. Er ist ein Werk des berühmten Barock-Baukünstlers Johann Bernhard Fischer von Erlach und wurde 1704 geweiht. Visionär zeigt der Künstler zentrale Glaubenswahrheiten des christlichen Glaubens: die Erlösung des Menschen durch Tod und Auferstehung Jesu Christi sowie das Bekenntnis zum dreifaltigen Gott, dargestellt als Gott-Vater, Gott-Sohn und Heiliger Geist. In der Stunde des Todes am Kreuz steigt Gott, der ewige Vater aus den goldenen, himmlischen Spähern herab in die silberne, irdische Wirklichkeit, um seinem Sohn die Hand zu reichen und aus dem Tod in die Auferstehung zu führen. So zeigt Gott-Vater den Gläubigen das Ziel der Pilgerschaft: Jesus Christus, den gekreuzigten und auferstandenen Sohn.
Eine Darstellung des Erdballs, der Menschenwelt in Kugelgestalt, umschlungen von einer Schlange als Symbol des Bösen, schwebt unter dem Kreuz und über dem Altar. Sie dient als Tabernakel und birgt den sakramentalen Leib Christi in Brotgestalt. Für den Glaubenden ist dies ein machtvolles Zeichen des Trostes. Es sagt, dass im Herzen der durch böse Mächte gefährdeten Welt die erlösende Liebe Christi wohnt, die zum Brot des Lebens wird. Der Altar ist der Ort für die Feier der Eucharistie. Sie ist für die Pilger der Höhepunkt der Wallfahrt, die ihr Leben verwandeln soll.
Wie viele Kirchen ist die Wallfahrtskirche in Mariazell gegen Osten orientiert. Osten ist als Ort der aufgehenden Sonne Symbol für Christus, dessen Wiederkunft in der Tradition aus dieser Richtung erwartet wird. Über das Bauwerk mit seiner bemerkenswerten theologischen Konzeption hinaus ist so der Pilger während seines Weges durch die Basilika auf Jesus Christus hin orientiert, was zur Anleitung und zum Vorbild für den irdischen Pilgerweg dienen soll.
P. Mag. Karl Schauer OSB
Superior von Mariazell