Das Erzbischöfliche Palais in Wien
ZUSAMMENFASSUNG
Das Erzbischöfliche Palais ist die Residenz der Wiener Bischöfe und Erzbischöfe und beherbergt heute neben den Wohnungen des jeweiligen Kardinal-Erzbischofs und seiner Mitarbeiter die wichtigsten Zentralstellen der Diözesanverwaltung, sowie das Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz. Das Palais ist an der Nordseite des Stephansplatzes gelegen und befindet sich an der Stelle eines bereits 1267 urkundlich erwähnten Pfarrhofes. Dieser wurde im Laufe der Zeit des öfteren umgebaut und erweitert - so schloss sich einst gegen die heutige Rotenturmstraße zu ein alter Wehrturm an, der im Zuge des Neubaues demoliert wurde. Unter Bischof Anton Wolfradt (1631-39) wurde mit dem vollständigen Neubau des Bischofshofes begonnen, der erst unter seinem Nachfolger Philipp Friedrich Graf Breuner (1639-69) vollendet werden konnte. In den Jahren 1632 bis 1641, angeblich nach einem Entwurf des Florentiner Baumeisters Giovanni Coccapani, unter Mitverwendung der vorhandenen älteren Bausubstanz, wurde der neue Bischofshof als monumentaler manieristischer Stadtpalast erbaut. Das Gebäude wurde um zwei Höfe gruppiert, wobei der östliche in der Art eines für Wien charakteristischen Durchfahrtshofes, der westliche in einer Synthese aus Schloss- und Kreuzgangshof mit einem grottenartigen Wandbrunnen gestaltet wurde. Der Galerietrakt beherbergt heute die Bibliothek und im aufgestockten Teil das Archiv der Erzdiözese. Daneben finden sich im Erzbischöflichen Palais noch die Andreaskapelle, die Feststiege sowie verschiedene Festräume, wie der Konsistorialsaal. In diesem Saal wird ein im Oktober 1938 beim Sturm der Hitlerjugend durch Messerstiche beschädigtes Kreuzigungsbild als Warnung vor Gewalt jeglicher Art als Mittel der Auseinandersetzung aufbewahrt.
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Das Erzbischöfliche Palais, die Residenz der Wiener Bischöfe und Erzbischöfe, ist an der Nordseite des Stephansplatzes gelegen und befindet sich an der Stelle eines bereits 1267 urkundlich erwähnten Pfarrhofes, welcher im 14. Jahrhundert, nach der Gründung eines Kollegiatkapitels zu St. Stephan durch Herzog Rudolf IV., den Stifter im Jahr 1365 zum Propsthof und im 15. Jahrhundert, als unter dem Pontifikat Papst Pauls II. und während der Regierung Kaiser Friedrich III. im Jahr 1469 das Bistum Wien errichtet wurde, zum Bischofshof wurde.
Der alte Pfarrhof umfasste den gegen den Stephansplatz zu gelegenen Südtrakt des heutigen Erzbischöflichen Palais. Er wurde im Laufe der Zeit des öfteren umgebaut und erweitert - so schloss sich einst an der westlichen Front, gegen die heutige Rotenturmstraße zu, ein alter Wehrturm an, der im Zuge des Neubaues demoliert wurde. Im 16. Jahrhundert erfolgten unter den Bischöfen Johann Fabri, Friedrich Nausea und vor allem Johann Caspar Neuböck (1574-94) etliche notwendig gewordene Renovierungsarbeiten, da, so dieser, "es zuvor gar ein unbequeme misera ac ruinosa et tenebricosis angulis für ainen Herrn Bischoven incommodissima habitatio" gewesen war. Diese Umbauten, vor allem im Bereich Bischofsgasse, heute Rotenturmstraße - Wollzeile, blieben aber nur Stückwerk.
Unter Bischof Anton Wolfradt (1631-39), der von Ferdinand II. am 2. August 1631 in den Reichsfürstenstand erhoben wurde, wurde schließlich mit einem vollständigen Neubau des Bischofshofes begonnen, der allerdings erst unter seinem Nachfolger Philipp Friedrich Graf Breuner (1639-69) vollendet werden konnte. So wurde in den Jahren 1632 bis 1641, angeblich nach einem Entwurf des Florentiner Baumeisters Giovanni Coccapani, unter Mitverwendung der vorhandenen älteren Bausubstanz, der neue Bischofshof als monumentaler manieristischer Stadtpalast erbaut.
Das Gebäude wurde um zwei Höfe gruppiert, wobei der östliche in der Art eines für Wien charakteristischen Durchfahrtshofes, der westliche in einer Synthese aus Schloss- und Kreuzgangshof mit einem grottenartigen Wandbrunnen gestaltet wurde. Ein Galerietrakt in der Achse der aus der Stephansplatzseitigen Fassade hervortretenden Kapelle trennte die beiden Höfe. Er beherbergt heute die Bibliothek und in dem im 19. Jahrhundert aufgestockten Teil das Archiv der Erzdiözese.
Die Festräume, wie auch die Feststiege, befinden sich in dem mit der Fassade zur Rotenturmstraße gelegenen Haupttrakt. Die Feststiege, offenbar im französisch beeinflussten Rokoko, wurde 1752 errichtet. Die Festräume selbst, 1716 eingerichtet, zeigen wertvolle Laub- und Bandelwerk-Stukkaturen. Von 1932/33 bis 1973 bargen diese Räume das Dom und Diözesanmuseum. 1977/78 unter Kardinal König revitalisiert, sind sie, wie ihr Name besagt, diözesanen Festlichkeiten sowie Ehrungen verdienter Persönlichkeiten vorbehalten. Hier sind auch die Überreste der einstmals wertvollen Einrichtung des Bischofshofes zusammengetragen, darunter ein Ebenholz -furnierter Tabernakelschrank, eine qualitätvolle Augsburger Arbeit um 1680. Im ersten Stock des die beiden Höfe trennenden Galerietraktes ist auch heute noch die Erzbischöfliche Bibliothek untergebracht. Ursprünglich eine Art Kunst- und Wunderkammer, dann ein manieristischer Gelehrtengang mit antiken Imperatorenbüsten, mit einem bemerkenswerten Stuckdekor aus der Zeit um 1640 versehen, wurde sie bereits im 18. Jahrhundert als Bibliothek gewidmet und beherbergt heute noch die alten Buchbestände der Wiener Oberhirten vom 16. bis in das 20. Jahrhundert. Neben naturgemäß vor allem theologischen Büchern finden sich auffallend viele philosophische, historische und naturwissenschaftliche Werke.
Im sogenannten Konsistorialsaal an der zum Stephansplatz hin gelegenen Südwestecke wird ein im Oktober 1938 beim Sturm der Hitlerjugend durch Messerstiche beschädigtes Kreuzigungsbild als Warnung vor Gewalt jeglicher Art als Mittel der Auseinandersetzung aufbewahrt.
Die Andreaskapelle an der Südseite des heutigen Erzbischöflichen Palais, 1267 erstmals erwähnt, entspricht im Kern offenbar noch einer gotischen Palastkapelle. Ein altes Achatiuspatrozinium wurde im Zuge des Ausbaues des Bischofshofes im 17. Jahrhundert mit dem des hl. Andreas vereinigt. In dieser Zeit erhielt die Kapelle ihre heutige Gestalt. Eine Inschrift aus dem Jahr 1638 erinnert noch heute an die alten Patrozinien. Im 19. Jahrhundert wurde die Kapelle unter den Erzbischöfen Vinzenz E. Milde und Anton J. Gruscha renoviert, wie eine Gedenktafel im Inneren bezeugt.
Anlässlich einer weiteren Innenrestaurierung im Jahr 1974 unter Kardinal Franz König wurde in der Farbgebung des Raumes der Zustand des 18. Jahrhunderts wiederhergestellt. Nun erfuhr das Presbyterium auch eine der reformierten Liturgie entsprechende Altarlösung, wobei der sogenannte Annenaltar aus 1512, ein 1934 in der Gruft der Hofkirche St. Augustin entdecktes Renaissance-Sandsteinepitaph, ein Hauptwerk der Wiener Bildhauerei vom Ende der Spätgotik, als Altaraufsatz verwendet wurde. In den bis dahin instrumentenfreien Raum wurde im Jahr 1990 unter Kardinal Groer eine sogenannte "Schwalbennest-Orgel" durch die niederösterreichische Orgelbaufirma Chr. Allgäuer eingebaut.
In der Regierungszeit Kardinal Christoph Schönborns wurde in der Kapelle schließlich eine von Prof. Oskar Höfinger angefertigte Bronzestatue der während des dritten Pastoralbesuches von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1998 selig gesprochenen Sr. Restituta Kafka aufgestellt, die am 30. März 1943 im Wiener Landesgericht wegen ihres entschiedenen Eintretens für Glauben und Menschenwürde in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft enthauptet wurde.
Im Erzbischöflichen Palais sind heute neben den Wohnungen des jeweiligen Kardinal-Erzbischofs und seiner Mitarbeiter die wichtigsten Zentralstellen der Diözesanverwaltung, sowie das Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz untergebracht.
Dr. Annemarie Fenzl
Diözesanarchivarin der Erzdiözese Wien