Der Wiener Stephansdom
ZUSAMMENFASSUNG
Der Wiener Stephansdom ist nicht nur ein europäisches Kulturdenkmal ersten Ranges, sondern auch jenes Wahrzeichen Österreichs, mit dem sich bis heute die meisten Bewohner der Republik identifizieren können. Im Herzen der Stadt Wien gelegen, ist ihm etwas eigen, das sich nur schwer in Worten ausdrücken lässt. Ein großer Seelsorger in St. Stephan sprach vom "durchbeteten Dom" - St. Stephan ist mit seinen vielfältigen Gottesdiensten spirituelles Zentrum und Ort der Einkehr und des Gebets. Der Wiener Dom ist weit älter als bisher angenommen. Mind. drei Vorgängerbauten gehen der romanischen Kirche voraus, die 1147 geweiht wurde. Herzog Rudolf IV., genannt "der Stifter" und Kaiser Friedrich III. machten sich in Folge um den Bau verdient. Seit dem Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs ist der Dom Symbol der Wiedererstehung Österreichs als freier und unabhängiger Staat. Das äußere Erscheinungsbild von St. Stephan wird vor allem durch den 137m hohen Südturm - im Volksmund liebevoll "Steffl" genannt - und das mit farbigen Ziegeln gedeckte Dach bestimmt. Im Inneren besticht der Stephansdom durch barocke und gotische Kunstwerke sowie solche der Renaissance: das Hochaltarbild, die Domkanzel mit dem Selbstbildnis des unbekannten Meisters ("Fenstergucker"), das Riesentor sowie das Grabmal Kaiser Friedrich III. seien beispielhaft erwähnt. Die "Pummerin", die mit fast 22 Tonnen schwerste und außerdem größte Glocke Österreichs, hängt im unvollendeten Nordturm. Im Jahr 1697 wurde das bis heute hochverehrte Gnadenbild "Maria Pocs" in den Dom übertragen. Der Dom ist weit mehr als ein kulturhistorisches Denkmal. Er ist Haus Gottes, Stein gewordene Verkündigung, Symbol der Gegenwart Gottes in unserer Zeit.
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"Man sagt nicht viel über den Dom aus, wenn man nur von den Steinen spricht." (Antoine de Saint-Exupery)
Wien hat eine mehr als 2000jährige Geschichte. Anstelle des römischen Lagers Vindobona entstand unter den Babenbergern eine neue Stadt, die von den Habsburgern, dem folgenden Herrschergeschlecht, prachtvoll ausgestaltet wurde - nie ohne Hilfe der Wiener Bürgerschaft. Bedeutende Kirchenbauten entstanden, herausragend der Wiener Stephansdom, bis heute Mittelpunkt und Zentrum der Stadt Wien. Seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Kirche auch zum Symbol der Wiedererstehung Österreichs als freier und unabhängiger Staat. Die Pummerin, die große Glocke von St. Stephan, gilt bis heute als tönendes Wahrzeichen der Stadt, ja von ganz Österreich. So wie alle Bundesländer und viele ausländische Sponsoren den Wiederaufbau von St. Stephan ermöglicht haben, so gilt es auch für uns, den Stephansdom zu erhalten - allem voran als Haus Gottes, als einen Ort, der über Konfessionen hinweg zu Einkehr, Gebet und Meditation einlädt: der Dom als ein Symbol der Gegenwart Gottes in unserer Zeit.
Der Stephansdom, das "Wohnzimmer der Wiener", hat nicht die puristische Reinheit vieler französischer Kathedralen und manche Kirche in Italien übertrifft ihn wohl hinsichtlich der darin befindlichen Kunstwerke von Weltrang. Aber etwas ist ihm eigen, das sich nur schwer in Worten ausdrücken lässt. Ein großer Seelsorger in St. Stephan sprach immer vom "durchbeteten Dom". Jeden Tag finden regulär sieben und an Sonn- und Feiertagen neun Gottesdienste statt, die Möglichkeit zum Empfang des Bußsakraments besteht ebenfalls täglich.
Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist der Dom weit älter als bisher angenommen. Bereits vor der ersten romanischen Stephanskirche gab es mindestens drei Vorgängerbauten. In das Jahr 1137 ist die erste urkundliche Nennung der Kirche zu datieren. Im Jahr 1147 erfolgte die Weihe der romanischen Kirche durch Bischof Reginbert von Passau. Zwischen 1230 und 1250 kommt es zu einem Neubau; aus dieser Zeit stammt die Westfassade mit den beiden ca. 65 Meter hohen so genannten Heidentürmen. Auch das Riesentor, der Haupteingang des Domes, stammt aus dieser Zeit. Das einige Male überarbeitete Tor hat eine hohe theologische Symbolik: Im Zentrum des Tympanons thront Christus im Glorienschein, als Herrscher und Retter der Welt, der als "Hausherr" den Besucher beim Betreten des Domes segnet.
Unter Herzog Albrecht "dem Lahmen" erfolgt der Bau des nach ihm benannten neuen Chores. Die Wiener Bürger unterstützen diesen Bau tatkräftig mit Legaten, frommen Stiftungen und Testamenten. Im Jahr 1340 wird er vollendet und am 23. April desselben Jahres vom Passauer Bischof Albert Herzog von Sachsen geweiht. Herzog Rudolf IV., genannt "der Stifter", gründet 1365 in einem komplizierten Gründungsvorgang ein von Passau unabhängiges Kollegiatkapitel (das heutige Domkapitel) mit einem gefürsteten Propst an der Spitze, eine wichtige Vorstufe des späteren Bistums. Derselbe Herzog Rudolf legt 1359 den Grundstein zum Südturm und man beginnt mit dem gotischen Ausbau des Domes. Am 10. Oktober 1433 ist der Südturm vollendet, damit hatte Wien mit seinem 137 Meter hohen Stephansturm für einige Jahre den höchsten Kirchturm Europas. Zwischen 1440 und 1474 wird der gotische Dachstuhl errichtet, der sich 37 Meter über dem Langhaus und 25 Meter über dem Chor erhebt. Die gesamte Dachfläche beträgt ca. 10.000 Quadratmeter, das Muster der 230.000 bunt glasierten Dachziegel soll einem sarazenischen Teppich nachempfunden sein.
Kaiser Friedrich III. legt im Jahre 1450 den Grundstein für den unvollendeten 62 Meter hohen Nordturm. 1511 werden die Bauarbeiten aufgrund der wachsenden Türkengefahr eingestellt. Die vorhandenen Mittel verwendete man zur Befestigung der Stadtmauern. Die 1578 errichtete Renaissancehaube bietet Platz für die "Pummerin", die fast 22 Tonnen schwere große Glocke von St. Stephan. Aufgrund der Bemühungen Kaiser Friedrich III. wurde am 18. Jänner 1469 mit der Bulle "In supremae dignitatis specula" das Bistum Wien von Papst Paul II. kanonisch errichtet, 1722 erfolgte die Erhebung zum Erzbistum.
Am Äußeren des Domes findet sich eine große Anzahl von Statuen, großteils Kopien aus dem 19. Jahrhundert. Sie zeigen verschiedene Heilige sowie Ahnen Herzog Rudolfs IV. Hingewiesen sei auch auf die vielen Grabsteine an den Außenmauern, Reste des ehemaligen Friedhofs, der bis 1732 den Dom umgab.
Das äußere Erscheinungsbild von St. Stephan wird vor allem durch den Südturm - im Volksmund liebevoll "Steffl" genannt - und das mit farbigen Ziegeln gedeckte Dach bestimmt. Von welcher Seite man sich auch der Kathedrale nähert, nie kann man sie als Ganze erkennen, immer öffnen sich dem Betrachter neue Perspektiven.
Das Innere der Domkirche wird vor allem von den barocken Altären geprägt; den frühbarocken Hochaltar mit der Darstellung des Martyriums des Dompatrons schufen die beiden Brüder Johann Jakob und Tobias Pock 1647. Im Jahr 1697 wurde das bis heute hochverehrte Gnadenbild "Maria Pocs" feierlich in den Dom übertragen. Es sind aber auch einige bemerkenswerte Kunstwerke der Gotik und Renaissance erhalten, wie die Domkanzel (um 1500) mit der Darstellung der vier lateinischen Kirchenlehrer und dem berühmten Selbstbildnis des unbekannten Meisters ("Fenstergucker"), die Baldachinaltäre oder das Grabmal Kaiser Friedrich III. (vollendet 1513) und die gotischen Fenster (um 1340) im Mittelchor.
In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges löst ein Funkenflug von brennenden Häusern in der Umgebung der Stephanskirche einen verheerenden Brand aus, dem das Dach samt dem Dachstuhl zum Opfer fällt. Die Gewölbe des Mittel- und südlichen Seitenchores stürzen ein. 45 Prozent der Bausubstanz des Domes sind vernichtet. Weiters werden fast alle Glocken, die Orgel, die Kaiseroratorien sowie das gotische Chorgestühl und etliche andere Kunstschätze zerstört. Durch den selbstlosen Einsatz der Wienerinnen und Wiener und später aller österreichischen Bundesländer sowie vieler ausländischer Sponsoren konnte das Langhaus bereits 1948 und die gesamte Domkirche 1952 wiedereröffnet werden.
Der Wiener Stephansdom ist nicht nur ein europäisches Kulturdenkmal ersten Ranges, sondern auch jenes Wahrzeichen Österreichs, mit dem sich bis heute die meisten Bewohner der Republik identifizieren können. Bis heute sind es die Bürger des Landes, der Stadt, die den Stephansdom erhalten und ihn mit Leben erfüllen. Seit Jahrhunderten ist er ein „durchbetetes Haus", das trotz der großen Zerstörungen nichts von seiner Ausstrahlung eingebüßt hat. Möge auch in Zukunft das Riesentor, das Hauptportal von St. Stephan, offen stehen für jede und jeden und einladen zu Kunst, Einkehr und Gebet.
"Die Stephanskirche ist weit herrlicher, als man es mit Worten ausdrücken kann", schrieb Aeneas Silvius Piccolomini, der spätere Papst Pius II., Berater Kaiser Friedrichs III., im Jahr 1457. Der Dom ist nicht nur kunst- und kulturhistorisches Denkmal, sondern auch Haus Gottes, ein Symbol der Gegenwart Gottes, Stein gewordene Verkündigung.
Stephansdom bekommt zum Papstbesuch einen zweiten "Turm"
In einer Aufsehen erregenden Lichtinstallation der "Jugendkirche Wien" wird von 7. bis 9. September der beim Bau des Stephansdoms unvollendet gebliebene Nordturm der Kathedrale fertig gebaut: Drei Abende lang wird der steinerne Südturm des Doms durch einen Nordturm aus gebündeltem Licht ergänzt. Ab Einbruch der Dunkelheit strahlen dazu Scheinwerfer in den Wiener Nachthimmel die sich genau in der Höhe der Südturmspitze in 137 Meter Höhe kreuzen.
Mit dieser Aktion soll das gewohnte Bild des Wiener Wahrzeichens verändert, zugleich sollen aber auch "festgefahrene Sichtweisen der Menschen über 'die Kirche' in Frage gestellt werden", sagte Florian Unterberger von der "Jugendkirche". Dompfarrer Anton Faber verspricht sich von der Installation neben "Faszination" auch Anstöße zur Nachdenklichkeit: Das Projekt symbolisiere die Spannung zwischen dem Unvollendeten und dem Vollendeten, die kennzeichnend für die christliche Existenz sei, so Faber. In der Lichtinstallation drückt sich nach den Worten des Dompfarrers auch aus, dass die Kirche neben ihrer Traditionsverbundenheit immer offen für Erneuerung sein müsse, gemäß dem Wort von der "ecclesia semper reformanda", der immer erneuerungsbedürftigen Kirche.
Reinhard H. Gruber
Domarchivar zu St. Stephan