Wien - Eine Präsentation der Stadt
"Gerade auch nach Mariazell wallfahrten seit Jahrhunderten Christen aus ganz Europa, nicht zuletzt auch aus slawischen Ländern", hat der Heilige Vater, Papst Johannes Paul II. bei seinem ersten Besuch am Wiener Heldenplatz gesagt. Mit großer Freude erwarten wir den ersten Besuch des Heiligen Vaters, Benedikt XVI., in Österreich, wenn er zur „Magna Mater Austriae" nach Mariazell pilgert und dabei auch in Wien Station machen wird. Die Freude und Ehre ist deshalb so groß, weil es die einzige Reise in Europa ist, die der Heilige Vater in diesem Jahr unternimmt.
Was ist das für eine Stadt, in die der Nachfolger Petri reist und in der er zweimal übernachten wird? Ich möchte versuchen, einen kleinen Einblick in unsere schöne Wiener Stadt zu geben, bin ich selbst doch ein typisches Wienerkind, in der Innenstadt, das heißt innerhalb der schönen Ringstraße, aufgewachsen und in der Dompfarre St. Stephan beheimatet. Wien ist eine sichere Stadt, wo man sich wohl fühlen kann, auch am Abend beim Spazierengehen. Wien ist eine Stadt, wo wir uns des geschenkten Friedens ständig bewusst sein können. Wien ist ja nicht nur als einstige Residenzstadt der deutschen Kaiser bekannt, als Hauptsitz des 57 Millionen-Reichs der österreichisch-ungarischen Monarchie, sondern auch als Konferenzstadt, als Ziel von Kurzurlauben, besonders auch um Silvester herum. Auch heute noch wird Wien geschätzt wegen der kulturellen Vielfalt, in der Bildenden Kunst, die in den einzelnen Häusern zu sehen ist, in der Musik, die an vielen Orten zu hören ist, wegen der einzigartigen Atmosphäre der strahlenden Millionenstadt am Donauufer, wegen des Charmes, des bodenständigen Humors und vielleicht auch wegen der Natürlichkeit der Bewohner. Hugo von Hofmannsthal hat den Reiz von Wien so charakterisiert: „Die wundervolle, unerschöpflich zauberhafte Stadt mit dieser rätselhaften, weichen, lichtdurchzogenen Luft". Wien ist eine Stadt, die sich mit Nachdruck für Frieden und Völkerverständigung, für soziale Gerechtigkeit, für die Beachtung der Menschenrechte einsetzt.
Wien wird vielfach auch als „im Herzen Europas" liegend gesehen. Welch große Veränderungen gegenüber den Nachbarländern hat es seit dem Herbst 1983 gegeben, als der Heilige Vater, Papst Johannes Paul II., bei der Europavesper gesagt hat: „Es [Wien] zeigt exemplarisch, wie eine Vielzahl von Volksstämmen auf begrenztem Raum spannungsreich und schöpferisch zusammenleben und in der Vielfalt eine Einheit schaffen können: auf dem Territorium des heutigen kleinen Österreich sind die Wesenszüge von Kelten und Romanen, von Germanen und Slawen tief eingegraben und in der Bevölkerung lebendig. Hierin ist Österreich ein Spiegel und Modell Europas."
Die Vereinten Nationen haben Wien als dritte Stadt gewählt und sich in der UNO-City niedergelassen, wo die internationale Atomenergiekommission (IAEO) genauso beheimatet ist wie die Internationale Industrieentwicklungs-Organisation(UNIDO). Auch andere internationale Organisationen haben in Wien ihren Sitz, wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OECD) in der Wiener Hofburg oder die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC).
Wien hat ungefähr 1,7 Millionen Einwohner und ist ca. 414 km2 groß, die Gesamtlänge der Stadtgrenze beträgt etwa 133 km. Die Donau, der zweitgrößte Strom Europas, teilt die Stadt in zwei ungleiche Hälften. Wien hat die Besonderheit, Bundeshauptstadt von Österreich zu sein und zugleich Landeshauptstadt des Bundeslandes Wien. Das bedeutet, dass der Bürgermeister von Wien gleichzeitig auch Landeshauptmann von Wien ist. Zu Verwaltungszwecken hat Wien 23 Bezirke, wobei die Innere Stadt, der erste Bezirk, das Zentrum ist. Die inneren Bezirke umschließen die Innere Stadt im Uhrzeigersinn und werden nach der anderen Seite durch den Gürtel begrenzt. Die äußeren Bezirke gehen vom Gürtel bis zum Teil an die Stadtgrenze bzw. liegen am linken Donauufer und sind große Stadtentwicklungsgebiete. Im Zentrum, in der Inneren Stadt, befinden sich viele wichtige öffentliche Gebäude, die Bundesministerien, viele Museen und vor allem auch der Stephansdom, der ja ein ganz besonderes Wahrzeichen von Wien, von Österreich ist. Es hat sich gezeigt, dass Großes erreicht werden kann, wenn alle zusammen helfen. Alle Österreicher/innen haben nach dem 2. Weltkrieg beim Wiederaufbau des Domes durch ihre Spenden mitgeholfen, sodass er wieder in voller Pracht erstrahlt. Die Fernsehübertragung der Heiligen Messe, die Papst Benedikt im Stephansdom feiern wird, wird den gotischen Dom in sehr eindrucksvoller Weise zeigen.
Wien ist heute eine Stadt, in der sich viele Kulturen bereits heimisch fühlen bzw. Heimat gefunden haben, das gilt auch für den religiösen Bereich. Viele fremdsprachige Gemeinden haben sich etabliert und feiern ihren Gottesdienst in der Landessprache, gestalten ihr Pfarrleben in der ihnen eigenen Tradition, z.B die italienische Gemeinde in der Minoritenkirche. Kardinal Schönborn betonte bei der Priesterweihe am 15. Juni 2007 im Wiener Stephansdom, dass die Vielfalt in der Kirche in Zukunft noch größer werden wird. Auch in der Erzdiözese Wien gäbe es Weltkirche im Kleinen, die anderssprachigen Gemeinden stellen einen wachsenden Anteil der Katholiken: "Sie sind Teil der Kirche von Wien, sie sind zum Teil die Zukunft der Kirche bei uns. Sie bringen uns viel. Sie empfangen auch manches von uns. Wir gehören zusammen und wollen mehr zusammenwachsen".
In dieser multikulturellen Situation hat auch die Ökumene ihren besonderen Stellenwert. Es gibt verschiede Gesprächsbasen zu den einzelnen Religionen und Gruppen, besonders intensiv sind die Kontakte mit den orthodoxen und evangelischen Christen bzw. mit den Juden und mit Vertretern der islamischen Glaubensgemeinschaft. „Die jüdische Gemeinschaft, einst so fruchtbar mit den Völkern Europas verflochten und jetzt so tragisch dezimiert, mahnt uns gerade dadurch, jede Chance zu nützen, einander menschlich und geistig näher zu kommen und miteinander vor Gott zu treten und von ihm her den Menschen zu dienen. Die Spaltungen unter den Christen, 1683 bis in die Politik hinein so verhängnisvoll wirksam, sind heute Anlass und Aufforderung zu bewusster Gemeinschaft in Begegnung, Gebet und Diakonie" (Papst Johannes Paul II. bei der Europavesper).
Die Vielfalt der Kulturen spürt man auch im Religionsunterricht. Immer weniger Kinder gehören in Wien der römisch-katholischen Kirche an. Oft ist es schwierig, die notwendigen Stunden für den Religionsunterricht an einer Schule zusammenzubekommen. Feste und Feiern aus dem Jahresfestkreis heraus werden wegen der veränderten Situation schwieriger. Die Heilige Erstkommunion feiert oft nur mehr ein kleiner Kreis.
Als in Europa einzigartiges Projekt werden sich an der Kirchlich Pädagogischen Hochschule in Wien die katholische, evangelische, orthodoxe und altkatholische Kirche gemeinsam um die Lehreraus- und -weiterbildung bemühen. Diese neue kirchliche Pädagogische Hochschule in Wien wird die größte pädagogische Hochschule in Österreich sein.
Im Vergleich zum Jahr 1983, als der Heilige Vater Wien besuchte, hat sich viel verändert. Der „Eiserne Vorhang" fiel und die Öffnung nach dem Osten hin hat sich für die Stadt bemerkbar gemacht, wirtschaftlich und kulturell. Wien ist dadurch wieder mehr ins Zentrum Europas gerückt, so wie es schon einmal war. Auch im religiösen Bereich hat sich viel getan, leider nicht nur Gutes. So ist der Anteil der Katholiken in Wien unter die 50% Marke gerutscht. Zwei Drittel aller in Wien geschlossenen Ehen werden geschieden. Die Kinderzahl der Wiener Bevölkerung ist im Sinken, leider auch durch die Möglichkeit der straffreien Abtreibung - das ist aber nicht nur ein spezielles Wiener Problem. Abgesehen vom Verlust des Unrechtsbewusstseins von Abtreibungen tauchen mittlerweile auch wirtschaftliche Probleme auf.
Ich möchte aber nicht mit diesem Wermutstropfen schließen, denn es gibt viel Schönes, viel Gutes, über das man sich in Wien freuen kann. Ich bin gerne ein Bewohner dieser Stadt. Bei der Europavesper 1983 hat uns Papst Johannes Paul II. in Erinnerung gerufen, das Gebet nicht zu vernachlässigen: „Betet, wie es die Christen in der Bedrängnis von 1683 getan haben. Betet, wie es gerade in Eurem Land seit Jahrzehnten so vorbildlich im ‚Rosenkranz-Sühnenkreuzzug um den Frieden der Welt' geschieht. Lasst Euch von mir in dieser Stunde unter dem Zeichen des Kreuzes, das wir heute auf diesem Platz aufgerichtet haben, zu jenem wahren Kreuzzug der christlichen Tat und des Gebetes sammeln. Wie einst der selige Papst Innozenz XI. die bedrohten Völker zur Heiligen Allianz zusammenrief, so ruft Euch heute sein Nachfolger auf dem Stuhl Petri ins Gewissen: Der geistige Kampf für ein Überleben in Frieden und Freiheit verlangt den gleichen Einsatz und Heldenmut, die gleiche Opferbereitschaft und Widerstandskraft, durch die unsere Väter damals Wien und Europa gerettet haben! Entscheiden wir uns dazu und legen wir diesen Entschluss unter das Kreuz Christi, des Herrn aller Geschichte. Denn in seinem Kreuz ist wirklich Hoffnung und Heil!"
So freue ich mich auf den Besuch des Heiligen Vaters in meiner Heimatstadt und hoffe auf viele Impulse, die er uns mit auf den Weg geben wird.
Prof. Franz Michal
Stv. Vorsitzender des Vikariates Wien Stadt